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Genderdesign – Höhere Beachtung mit benutzerfreundlicher Darstellung.


Mike Stähelin, Creative Director und Geschäftsführender Inhaber der Designagentur cocomu gmbh, erklärt, warum Frauen Pink lieben und Männer auf Carbon stehen.

Herr Stähelin, was stört Sie als Designexperte besonders?

Dass immer noch viele Kommunikationsmittel und Gebrauchsgegenstände nicht nach den Bedürfnissen der spezifischen Zielgruppe entwickelt und gestaltet sind. Das liegt im Design wahrscheinlich daran, dass die meisten Bereiche immer noch von Männern entwickelt werden. In grafischen Mitteln, ob Website, Broschüre, Flyer oder Logo, ist dies zwar nicht der Fall, doch stehen meist klassische Marketingziele im Vordergrund. Ich bin mir dabei nicht sicher, ob die Diskrepanz zwischen der visuellen Lösung und dem Nutzerbedürfnis an der fehlenden Sensibilität der Kreativen oder an dem weit verbreiteten Ego-Kundenentscheid, um es etwas hart auszudrücken, liegt. Letzteres lässt sich jedoch in vielen Fällen mit Beratungshilfe reduzieren.

Man kann einem Design also ansehen, ob es von einer Frau oder von einem Mann stammt?

Nicht direkt. Einer schlichten oder neutralen Gestaltung kann man es natürlich nicht ansehen. Bestimmte Merkmale geben aber schon Hinweise. Hinzu kommt, dass Kreative oft von ihrem eigenen Bedürfnis ausgehen oder das Projekt in Teams besprechen, deren Zusammensetzung nicht immer homogen ist.

Achten Sie selbst darauf, für wen Kommunikationsmittel oder Dinge, die Sie kaufen, entworfen wurden?

Nein, aber durch den Beruf schaue Dinge natürlich automatisch unter der Geschlechterperspektive an. Im Alltagsleben erlebe ich es zudem oft, dass in Bezug auf die Funktion oder Marke bevorzugte Objekte nicht nach meinem Bedürfnis gestaltet oder designt sind.

Was ist schlimm daran, wenn Mädchen pinkfarbenes Design und Jungs eher blaues bevorzugen?

Grundsätzlich nichts. Schlimm daran ist, dass unsere Gesellschaft Mädchen und Jungs anders bewertet. Das beginnt schon im Babyalter. Alles, was niedlich, süss, puschelig ist, wird auch später auf den weiblichen Lebenslauf übertragen. Und das Kernige, Harte, Entschlossene, Entscheidungsfreudige steht für Männer.

Die Klischees treffen aber oft zu: Mädchen mögen Pink und Jungs Blau …

Das ist die Frage von Henne und Ei: Was war zuerst da? Gab es erst das Pink, das die Mädchen wollen, weil es zum Beispiel gut vermarktet wird, oder haben Mädchen ein pinkes Gen in sich? Was ich persönlich nicht glaube. Spielwarenabteilungen sind heute bereits nach Geschlechtern getrennt. Ein wichtiger Einflussfaktor sind wir Erwachsenen, welche unsere Kinder schon als Baby mit für uns passenden Utensilien ausstatten. Wahrscheinlich haben Sie auch schon erlebt, wie ein Vater seinen Jungen von pinkfarbenen Spielwaren mit den Worten „Das ist nur für Mädchen.“ wegzog. So etwas prägt.

Wie gehen Sie mit der Thematik in Kundenprojekten um?

Wir setzten unseren Fokus in jedem Projektstart auf die Markenbasis: Werte, Strategie und Ziele – wie Zielgruppe, Zielmarkt, Kommunikations- und Marketingziele, um nur die hierfür wichtigsten zu nennen. Auf Designebene interessieren wir uns dabei sehr genau für die Zielgruppe, ihr Verhalten und ihre Bedürfnisse. In der Folge sind unsere Ergebnisse nicht blau oder pink, rund oder eckig. In den meisten Fällen ermöglichen sie eine klare Richtung in der Visualisierung.

Können Sie uns anhand eines konkreten Projekts einen Einblick in Ihre Arbeit geben?

Ein sehr spannendes Projekt in diesem Jahr war die Umsetzung eines Grafic User Interface. Der Kunde, eine innovative Bootsmanufaktur aus Zürich, verbaut in den neuen Modellen einen grossen Touchscreen. Das neue Touch Boat Management ermöglicht es dem Eigner, mit dem intuitiv zu bedienenden Display alle relevanten Daten des Boots zu kontrollieren und einzustellen. So viel zur Technik. Das grafische Highlight sind individuell gestaltete Ansichten für den jeweiligen Fahrmodus. So erhält der Fahrer alle relevanten Daten und Einstellungsmöglichkeiten individuell auf die Situation grafisch aufbereitet.

Die aktuelle Visualisierung ist in der Zielgruppe bisher gut angekommen. Der Clou ist aber, dass wir mit dem Kunden für die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedene Darstellungsvarianten entwickeln. Der Bootseigener hat somit auch die Möglichkeit, den Darstellungsstil seinen Bedürfnissen anzupassen – ob klassisch, sportlich oder elegant.Das hört sich sehr komplex an.

Wie gingen Sie an das Projekt heran?

Das war es in der Tat. Wir wurden vom Kunden zum Glück schon zu Beginn des Projekt ins Boot geholt. Dies ermöglichte uns, schon früh für den Kunden und die Entwickler visuelle Ideen einzubringen. Der intensive Austausch ermöglichte es uns aber auch, den ganzen Prozess effizient zu gestalten.

Sie planen ein Netzwerk, das sich unter anderem mit Genderdesign beschäftigt. Was ist der Hintergrund?

Wir sind noch mitten in der Planungsphase und Evaluation der unterschiedlichen Bedürfnisse. Grundsätzlich wollen wir Gestaltende in Seminaren für das Thema des psychologischen Nutzerverhaltens sensibilisieren und mit Workshops einen konstruktiven Austausch ermöglichen.das Interview führte Milica Simic.

Erschienen: short knowledge Magazin, Ausgabe Nov 2016


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