Welche Produkte werden am meisten an die Geschlechter angepasst? Werden Frauen und Männer in zwei verschiedene Schubladen gesteckt? Wir alle wissen, dass sich Männer und Frauen in ihrem Einkaufsverhalten, ihren Geschmäckern und Ideologien voneinander unterscheiden. Doch wie sieht das Ganze im Internet aus – mit Gender-Marketing?
Was ist Gender-Marketing Ziel des Gender-Marketings ist es, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen in die Entwicklung, den Vertrieb, die Preisbildung und die Kommunikation von Produkten und Dienstleistungen einzubeziehen.
Das Gender-Marketing ermöglicht Unternehmen, mittels in der Gehirnforschung erkannter psychologischer Vorgänge die Vorlieben von Männern und Frauen wirtschaftlich nutzbar zu machen. So besteht die Welt der Spielzeuge beispielsweise aus Puppenhäusern bei Mädchen, mit viel Schnickschnack und zarten Spielfiguren, während man bei den Jungs Ritterburgen und Superhelden in den typischen Blau-, Braun- und Grautönen sieht. Längst überkommene Rollenbilder, sollte man eigentlich meinen.
Vorurteile und Kategorisierung
Tatsächlich kommt uns heute die Vorstellung von weiblichen Vorlieben – „klein und pink“ – noch stärker vor als früher. Lange spielte man mit den andauernden Vorurteilen, dass Frauenversionen von Produkten nur rot, rosa oder pink sein müssten, um das weibliche Geschlecht ansprechen zu können. Am häufigsten zu sehen ist dieses Phänomen vor allem bei Spielzeugen und Pflegeprodukten. Im Spielzeugladen herrscht eine Rollenteilung nach Stereotypen, wie kaum irgendwo sonst. Aber auch bei Pflegeprodukten, technischem Bedarf oder Süssigkeiten herrscht eine radikale Geschlechterverteilung. Die Gründe dafür sind knallhart kalkuliert.
Diana Jaffé, Gründerin der auf Gender-Marketing spezialisierten Agentur Bluestone und Autorin, stellte eines fest: Unternehmen erliegen sehr häufig der Versuchung, die Frauenversion eines Produkts einfach nur „kleiner und pink“ zu machen, anstatt sich detailliert mit den Interessen der weiblichen Konsumenten auseinanderzusetzen. Und genau deswegen bleibe enorm viel Potenzial ungenutzt – denn 80 Prozent aller Konsumgüter werden von Frauen gekauft.
„Die Produkte werden meistens von Männern entwickelt, die fälschlicherweise davon ausgehen, dass eine Konsumentin genauso tickt wie sie“ (Diana Jaffé)
Wie erfolgreich geschlechtsspezifisches Marketing sein kann, hat beispielsweise Bosch bewiesen. Als die chinesische Konkurrenz in der Sparte Elektrowerkzeuge Ende der 1990er-Jahre übermächtig zu werden drohte, betrieb das deutsche Unternehmen intensive Marktforschung. Dabei entdeckte Bosch die Gruppe der Heimwerker, die zum großen Teil weiblich war. Diese Zielgruppe wollte Elektrowerkzeuge ohne viele Extras – sie Geräte sollten vor allem klein, leicht und kompakt sein.
Luxusgüterhersteller und Modezeitschriften machten diese Unterscheidung oft intuitiv richtig. Als Beispiel hält man zwei Seiten nebeneinander. Die erste stammt aus einem Frauenmagazin, die Produkte sind hier nach Formen und Farben angeordnet. Im Männermagazin sind die Produkte hingegen nach Funktionen sortiert.
Biologische Unterschiede
Biologen aus allen Ländern der Welt bestätigen seit Langem, dass das Hormon Östrogen bewirkt, dass Frauen eher auf Ästhetik angesprochen werden, während die höhere Konzentration an Testosteron bei Männern dazu führt, dass sie eher funktional denken. Dies bedeutet aber nicht, dass nur diese zwei Faktoren bei der Wahl eines Produkts stimmen. Die Frauen möchten mit allen Sinnen angesprochen werden, nicht nur mit der Ästhetik. Sie möchten die Werbebotschaften auch spüren und sich somit einen Gesamteindruck machen. Ebenfalls gibt es natürlich auch Männer, die eher in ästhetischen Kategorien denken. So zählt auch hier der Gesamteindruck.
In der Umsetzung sollte man darauf achten, die Vorlieben und Wahrnehmungen clever und neutral anzuwenden, ohne dabei andere Interessenten mit anderen Vorstellungen zu diskriminieren oder gar zu verletzen.
Produkte können weiblich oder männlich sein
Grundsätzlich können viele Konsumprodukte – selbst wenn diese nicht per Definition geschlechtsspezifisch sind, wie ein Rasierer – nach ihrem Markenauftritt als männlich oder weiblich klassifiziert werden. Das Mineralwasser Evian ist zum Beispiel eher feminin besetzt, der Auftritt von Bonaqa eher maskulin.
Die Praline Raffaello von Ferrero zielt mit Formgebung und Werbestrategie auf weibliche Naschkatzen, der Schokoriegel Mars hingegen auf männliche. Der Coca-Cola-Konzern hat aus dieser Erkenntnis eine neue Marke entwickelt: Da Männer nämlich durchaus kalorienbewusst sind, jedoch nicht zur „weiblichen“ Coca-Cola light griffen, stellte der Getränkekonzern der etablierten Diätcola das neue „Coke Zero“ zur Seite.
Man kann sich hier fragen, inwiefern es überhaupt nötig ist, Lebensmittel nach Geschlechtern zu teilen? Damit den Männern durch eine Flasche „Cola-Light“ ihre Männlichkeit nicht verloren geht? Die Meinung dazu liegt bei Ihnen, auf dem Markt kommt das Konzept bestens an.
Wenn Gender-Marketing, dann richtig
In der Umsetzung sollte sich ein Unternehmen gezielt Gedanken zu den Werten, dem Kundenverhalten und den Vorteilen eines Produkts machen. Dies ermöglicht einerseits die Wertschätzung und das Verständnis beider Geschlechter, andererseits einen Sympathiegewinn.
Im täglichen Alltagsstress wird das Gender-Marketing nicht wirklich wahrgenommen. Wer jedoch während des Einkaufs aktiv beobachtet, wie häufig sich Gender-Marketing in einer Form präsentiert, wird erstaunt sein, an wie vielen Orten dies stattfindet!
Als Pionierin gilt Diana Jaffé, die 2005 das Buch „Der Kunde ist weiblich“ veröffentlichte.
Erschienen: short knowledge Magazin, Ausgabe Nov 2016