top of page

Corporate World: Brandstory – Wie Unternehmen den neue Konsumenten begegnen?


Mike Roy Stähelin, CEO / Inhaber, cocomu gmbh, Zug & Solothurn

Produkte, Marken und Lebensstil sind heute Ausdruck der eigenen Einstellungen. Zugleich liegt genau hierin eine Chance für Unternehmen um mit immateriellen Benefits die Einzigartigkeit ihrer Produkte hervorzuheben.

Heute sind in der digitalen Kommunikation wieder die Menschen am Drücker: Sie bloggen, posten, teilen, kritisieren, loben. Ein vielschichtiges und unaufhörliches Kommunikationsnetz entsteht, welches Unternehmen ab einem bestimmten Zeitpunkt kaum mehr beeinflussen, geschweige denn kontrollieren können. Ein Indiz hierfür sind die immer öfter vorkommenden Shitstorms gegen Unternehmen oder deren Marken. Doch sind sie heutzutage tatsächlich hilflos der grossen Masse ausgeliefert? Mike Roy Stähelin ist Geschäftsführer der Markenagentur cocomu in Zug und Solothurn und betreut internationale Konzerne wie

Kleinunternehmen in der strategischen Markenführung und gibt Antwort zu diesem Thema.

Herr Stähelin, was hat sich in der Kommunikation gegenüber früher konkret verändert?

Mike Roy Stähelin: Die Kommunikation von Unternehmen ist heutzutage, mit den digitalen Kanälen, viel anspruchsvoller als noch vor ein paar Jahren. Zwar können Firmen ihrerseits an den verschiedenen Diskursen teilnehmen und im besten Fall inspirieren und Impulse setzen. Zugleich wird aber heute öfters direkt, schonungslos, unverblümt und nicht immer gerechtfertigt Kritik an den Unternehmen geübt – und das ganz öffentlich. Ein

Nebeneffekt der schnellen Entwicklung des Internets und der individualisierten Echo-Höhlen der Nutzer.

Was verstehen Sie unter Echo-Höhle?

MS: Digitale Systeme wie Google, Facebook und Co. wissen heute teils

mehr über die Interessen ihrer Nutzer als deren Freunde. Das Geschäftsmodell der Portale verät, dass diese Interessen immerzu mit denselben Inhalten wie Werbung und Content befüllt wird. Der Nutzer bewegt sich digital ungewollt immer mehr in einer Höhle, welche die Interessen widergibt, welche er unbewusst vorgibt. Die Crux davon ist, dass das damit entstandene Echo-Signal der Systeme den

Nutzer immer enger umgarnt.

Hat das Internet somit Einfluss auf unsere Sinnessuche?

MS: Unter anderem ja. Neben einem Wandel der gesellschaftlichen Interessen, der Art und Weise, wie wir zusammenleben oder arbeiten, zeigt sich die Suche nach Sinn und Orientierung auch in dem, was wir kaufen. Wir definieren uns nicht mehr nur darüber, woher wir kommen oder welcher sozialen Schicht wir angehören, sondern häufig auch darüber, was wir konsumieren. Produkte, Marken und Lebensstile sind Zeichen der eigenen Einstellungen, also eine Botschaft an die Welt: Das bin ich! Und somit eine Antwort auf die Frage unseres Daseins: Wer bin ich (vgl. Richard David Precht: Wer bin ich – und wenn ja wie viele?).

Eine zwiespältige Geschichte für Unternehmen. Wie begegnen diese den Herausforderungen der heutigen Kommunikation?

MS: Der Schlüssel liegt darin, eine wirkungsvolle, nachhaltige und vor allem ehrliche Brandstory aufzubauen. Vor allem Letzteres verlangt oft eine veränderte Haltung zur Kommunikation und ein respektvolles Verständnis für die Anspruchsgruppen. Unternehmen müssen verstehen, dass es ihren Kunden, Mitarbeitenden und anderen Akteuren immer weniger nur um die Produkte oder Dienstleistung geht. Entscheidend ist vielmehr die Beziehung einer jeden Anspruchsgruppe zur Marke.

Wird die Produktqualität zur Nebensache?

MS: Für viele Unternehmen ist eine hervorragende Produktqualität nach wie vor die erste Voraussetzung. In der Kommunikation macht es hingegen nur bedingt Sinn, einen Nutzen hervorzuheben, welcher vom Kunden ohnehin erwartet wird. Aussnahmen bestätigen aber auch hier die Regel, etwa wenn das Unternehmen mit dem Nutzen seiner Produkte ein Alleinstellungsmerkmal einnimmt.

Storytelling war vor etwa zehn Jahren ein grosses Thema in der Kommunikation. Jetzt reden wir über Brandstorys. Hat sich der Story-telling-Ansatz nicht durchsetzen können?

MS: Der Storytelling-Ansatz fokus-sierte sich, wie von Ihnen bereits erwähnt wurde, vor allem auf die Unternehmenskommunikation. Hergeleitet aus Film-, Theater- und Radioformaten entdeckten die Unternehmen für sich die Macht des Geschichtenerzählens zur Untermalung von Kommunikationslösungen, konkreter Problemstel-lungen oder Herausforderungen. Der Ansatz kam durch den hohen Ressourcenaufwand aber vor allem in Grossunternehmen zum Einsatz.

Der Ansatz der Brandstory hat demgegenüber das Ziel, dass die Marke für die Anspruchsgruppen relevant wird, ist und bleibt. Die Marke fungiert als der Mittelpunkt wirkungsstarker Brandstorys. Denn nur aus der Bedeutung heraus entstehen Beziehungen, die zur Sinnsuche der Menschen einen wertvollen Beitrag leisten. Denn Werte sind die Bausteine unseres Seins – unserem Bild der Welt.

Was macht eine gute Brandstory aus?

MS: Sie bildet immer auch eine Entwicklung ab von einem, sagen wir, vorhandenen Problem hin zu einer Lösung oder einer funktionierenden Welt. Eine Brandstory beinhaltet deshalb immer eine Bewegung, einen sich dynamisch entwickelnden Konflikt, in sich. Dieser kann ganz unterschiedliche Fragestellungen beinhalten. Etwa: Wie löse ich ein Problem? Wie werde oder bleibe ich gesund? Wie gewinne ich Energie zurück? Wie gelingt es mir, besser auszusehen? – Es geht immer um mindestens einen zentralen Markenwert, welcher durch eine Handlung in der Geschichte „gerettet“ wird.

Was empfehlen Sie Unternehmen im Umgang mit Ihren Kunden und Anspruchsgruppen?

MS: Das Prinzip ist einfach. Unternehmen sollten versuchen, ihre Anspruchsgruppen mit einer für beide Seiten relevanten Geschichte zu involvieren und einen respektvollen Umgang zu pflegen.

Erschienen: short knowledge Magazin, Ausgabe Dezember 2018


11 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page